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ME/CFS

Informationen für Patient*innen und Angehörige

ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) ist eine noch wenig erforschte Erkrankung. Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche können davon betroffen sein. Im Rahmen des MOVE-COVID-Projektes bauen wir an den Sozialpädiatrischen Zentren der Universitätskinderkliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm eine interdisziplinäre Long-COVID-Sprechstunde auf, um Kinder und Jugendliche mit einem Post-COVID-Syndrom mit und ohne ME/CFS und deren Angehörige zu betreuen.

Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere, chronische Multisystem-Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung und sehr geringer Lebensqualität führt. In den meisten Fällen entsteht ME/CFS in Folge einer akuten Infektionserkrankung, beispielsweise nach einer Grippe, einem Pfeifferschen Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus) oder einer Coronavirus-Erkrankung (COVID-19).

Laut internationalen Studien zur Krankheitshäufigkeit leiden 0,1 bis 0,8 Prozent der Bevölkerung an ME/CFS. In Deutschland wurde die Zahl der Betroffenen in den 90er Jahren auf etwa 300 000 geschätzt, davon 40 000 Kinder und Jugendliche. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, aber die genaue Zahl der Betroffenen ist noch unklar. 

Die Fallzahlen von ME/CFS in Folge der COVID-19-Infektion nehmen zu. Anhand von deutschen Krankenkassendaten wurde für Erwachsene eine dreimal höhere Inzidenz für eine ME/CFS-Diagnose aufgezeigt. Die Häufigkeit von ME/CFS nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen ist unklar.

Die führenden Symptome von ME/CFS sind krankhafte Erschöpfung (Fatigue) und Belastungsintoleranz mit post-exertioneller Malaise (PEM). Unter PEM versteht man eine oft schon nach leichter Alltagsanstrengung auftretende Verschlechterung der Beschwerden, die auch erst nach mehreren Stunden oder am Folgetag einsetzen kann, und oft mehrere Tage bis Wochen (oder länger) anhält. An weiteren Symptomen berichten Patient*innen Schmerzen, Schlafstörungen, Reizüberempfindlichkeit sowie Beeinträchtigung der Konzentration und Gedächtnisfunktion, häufig auch als „brain fog“ bezeichnet. Des Weiteren zeigen sich bei vielen Betroffenen Fehlfunktionen des vegetativen (autonomen) Nervensystems mit Kreislaufproblemen. Sehr häufig besteht eine Orthostaseintoleranz, also eine Kreislaufproblematik in aufrechter Position.

Auf der Webseite von NEUROLETT Dr. Martin Komenda-Lett gibt es einen Comic, der das Krankheitsbild sehr anschaulich erklärt (https://neurolett.at/ME/CFS/).

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben ein Video produziert, um die Hauptsymptome der ME/CFS zu erklären.

https://www.mecfs.de/video-zu-post-exertioneller-malaise-pem/

 

Post-exertionelle Malaise (PEM)

Post-exertionelle Malaise (PEM) bezeichnet die Belastungsintoleranz, die als Leitsymptom ausschlaggebend für das Krankheitsbild ME/CFS ist. Darunter versteht man eine zeitverzögerte Symptomverschlechterung nach nur geringer körperlicher, geistiger oder emotionaler Belastung. Eine PEM kann bereits durch ganz alltägliche Dinge ausgelöst werden, zum Beispiel durch das Einkaufen im Supermarkt, eine Unterhaltung oder eine Dusche. Je nach Schweregrad der Erkrankung und je nach Patient*in kann eine PEM unterschiedliche Auslöser haben. Bei einem solchen Crash fällt die Belastungsgrenze der Betroffenen stark ab. Symptome wie Kopfschmerzen, grippeartige Beschwerden oder Schwindel verstärken sich. Auch neue Symptome können auftreten. Die Symptomverschlechterung hält häufig über mehr als 24 Stunden an. Als Folge können Betroffene ihrem normalen Alltag nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nachgehen. Es häufen sich Fehltage in Schule, Ausbildung, Studium oder am Arbeitsplatz. Hobbys, sportliche Aktivitäten und soziale Kontakte werden stark eingeschränkt oder sind gar nicht mehr möglich. Das Leben muss neu gestaltet und strukturiert werden.

Schwere Fatigue

Die meisten Patient*innen leiden zusätzlich zur PEM unter einer krankhaften Erschöpfung oder Schwäche, der sogenannten Fatigue. Sie berichten über ein Ausgelaugtsein sowie ein Schwäche- und Schweregefühl. Diese Erschöpfung kann durch Schlaf oder längere Pausen nicht wesentlich gebessert werden. Bereits alltägliche Dinge wie das Nutzen der Treppe im Haus, die Körperpflege oder das An- und Auskleiden können dadurch zu einer großen Herausforderung werden. Auch die Mobilität innerhalb und außerhalb der Wohnung, wie der Weg zur Schule, wird dadurch erschwert oder unmöglich.

Brain Fog

Der Begriff Brain Fog, auf Deutsch „Hirnnebel“, wird oft für die Symptome Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit, Verwirrung und Wortfindungsstörungen verwendet. Betroffene beschreiben, dass sie, besonders nach Belastung, nicht mehr klar denken können und ihr Gehirn sich wie vernebelt anfühlt.

Schlafstörungen

Häufig treten auch Schlafstörungen auf, zum Beispiel Ein- und Durchschlafstörungen sowie ein nicht erholsamer Schlaf. Betroffene fühlen sich oft bereits beim Aufstehen völlig erschöpft und benötigen tagsüber weitere Schlafphasen. Zusätzlich kommt es immer wieder zu einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus.

Schmerzen

Außerdem wird oft über wiederkehrende Kopfschmerzen sowie Muskel-, Sehnen- und Gelenkschmerzen berichtet. Auch das Auftreten von Brust- oder Bauchschmerzen ist möglich.

POTS

Das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS) steht für die übermäßige Steigerung der Herzrate beim Aufrichten des Körpers. Es kommt damit oft beim Stehen zur Symptomverschlechterung mit beispielsweise Schwächegefühl, Schwindel, Blässe sowie Herzrasen und Herzklopfen.

Sinnes-, Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen

Auch Sinnes- und Wahrnehmungsstörungen können bei Patient*innen mit ME/CFS auftreten. Möglich sind beispielsweise Licht- und Lärmempfindlichkeit bis zur Notwendigkeit des Abdunkelns von Räumen, Tragen von Sonnenbrillen sowie Gehörschutz. Außerdem kann es vorkommen, dass Betroffene Gerüche, Geschmäcker, Berührungen und Erschütterungen anders wahrnehmen. Auch die Tiefenwahrnehmung und Fokussierung können beeinträchtigt sein. Zusätzlich sind motorische Beeinträchtigungen wie Muskelschwäche und Muskelzucken sowie eine Ataxie, also eine Störung der Bewegungskoordination, möglich. Einige Patient*innen berichten außerdem, dass sie sich unsicher auf den Beinen fühlen.

Da es noch keine Biomarker gibt, müssen für die Diagnose eine ME/CFS alle verfügbaren Vorbefunde gesichtet und weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Es werden Erkrankungen aus dem Bereich der Infektiologie, Kardiologie, Lungenheilkunde. Allergologie. Neurologie, Endokrinologie, Hämatologie, Onkologie, Immunologie, Rheumatologie, Psychosomatik und Psychiatrie abgeklärt. 

Es werden ein ausführliches Anamnesegespräch, eine Laboruntersuchung und eine körperliche Untersuchung durchgeführt und Fragebögen, wie der Munich Berlin Symptom Questionaire, ausgewertet. 

Eine Diagnose kann anhand der Kriterien des Institutes of Medicine (IOM) gestellt werden, wenn andere Diagnosen ausgeschlossen wurden und die Erkrankung mindestens 3 Monate anhält. 

Die IOM-Kriterien sind bei Vorliegen einer Fatigue, einer Belastungsintoleranz, von Schlafstörungen, von neurokognitiven Manifestationen und von autonomen Manifestationen erfüllt. Symptome müssen mindestens die Hälfte der Zeit vorliegen und vom Schweregrad als moderat beschrieben sein. Das Kriterium der Belastungsintoleranz ist dann erfüllt, wenn Beschwerden nach alltäglichen Aktivitäten nach 14 Stunden oder mehr nicht abgeklungen sind.

Schmerzen, neuroendokrine und immunologische Manifestationen werden nicht in den IOM-Kriterien berücksichtigt. 

ME/CFS ist eine Ausschlussdiagnose, die im Falle neuer klinischer Aspekte neu evaluiert werden muss.

Eine ursächliche Therapie für ME/CFS ist bislang nicht etabliert. Im Mittelpunkt des Behandlungskonzepts steht die ausführliche Beratung zum Selbstmanagement („Pacing“, Schlafhygiene, Kreislaufmaßnahmen, „Coping“-Strategien) sowie eine symptomorientierte Therapie und Unterstützung im Alltag. 

„Pacing“ bedeutet, die durch die Krankheit vorgegebenen Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten, ausreichend Ruhepausen und Schlaf einzuplanen sowie körperliche Aktivitäten nur so weit zu steigern, dass sie zu keiner anhaltenden Symptomverschlechterung (PEM) führen. 
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben ein Video produziert, um Pacing zu erklären.

https://www.youtube.com/watch?v=a6LS4afZSg8

Handout: https://www.mecfs.de/wp-content/uploads/2022/04/DGMECFS_Pacing_A4.pdf

 

Die symptomorientierte Behandlung beinhaltet unter anderem eine angemessene Schmerztherapie sowie bestmögliche Verbesserung von Schlaf und Kreislauf. Eine psychologische Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung („Coping“-Strategien) wird empfohlen. Die Verordnung von Hilfsmitteln sowie die Beantragung eines Schwerbeindertenausweises mit entsprechendem Grad der Behinderung (GdB) oder Pflegegrads können notwendig und hilfreich sein.

Bei Kindern und Jugendlichen gilt die Prognose von ME/CFS als besser verglichen mit Erwachsenen. Mehr als die Hälfte der an ME/CFS erkrankten Kinder und Jugendlichen haben ebenfalls eine Chance auf Heilung, allerdings kann der Verlauf langwierig sein und mehrere Jahre dauern.

Clayton, Ellen. (2015). Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome An IOM Report on Redefining an Illness. JAMA. 313. 10.1001/jama.2015.1346. 

München Berlin Symptom Questionnaire (MBSQ), Version 3.0 vom 28.03.2022, erstellt von K. Wiehler, J. Paulick, R. Pricoco, A. Leone, C. Scheibenbogen, U. Behrends © 

Peo LC et al (2023) Pediatric and Adult Patients with ME/CFS following COVID-19: A Structured Approach to Diagnosis Using the Munich Berlin Symptom Questionnaire (MBSQ) doi: https://doi.org/10.1101/2023.08.23.23293081

Froehlich L, Hattesohl DBR, Jason LA, Scheibenbogen C, Behrends U, Thoma M. Medical Care Situation of People with Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome in Germany. Medicina 2021 

Myalgische Encephalomyelitis (Chronic fatigue Syndrom (ME/CFS). IQWIG-Report 17.2.2023

Rowe KS Long Term Follow up of Young People With Chronic Fatigue Syndrome Attending a Pediatric Outpatient Service. Front. Pediatr. 2019

Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen www.mri.tum.de/chronische-fatigue-centrum-fuer-junge-menschen-mcfc


Gesellschaft für ME/CFS
https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/

 
Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen
https://www.mri.tum.de/chronische-fatigue-centrum-fuer-junge-menschen-mcfc


Elterninitiative ME/CFS-kranke Kinder & Jugendliche München e.V. 
https://www.mecfs-kinder-muc.de/